MEP Günther Sidl über Umweltpolitik und die Zukunft der Europäischen Demokratie in der Coronakrise

Günther Siedl MEP Europaparlament
Günther Sidl im Europaparlament © EP Büro Günther Sidl

Was sind die Schwerpunkte Ihrer Arbeit im Europäischen Parlament, Sie sind ja Mitglied in zwei sehr unterschiedlichen Ausschüssen, können Sie uns einige Einblicke geben?

 

Ich bin in den Ausschüssen für Industrie, Forschung und Energie sowie für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit tätig. Das sind wesentliche Ausschüsse für die Verankerung des Nachhaltigkeitsgedankens in allen Lebensbereichen. Wir müssen es schaffen unsere natürlichen Ressourcen intelligent und nachhaltig einzusetzen – egal ob es darum geht, Energie aus erneuerbaren Quellen zu generieren oder darum, Lebensmittel den Einsatz von Gentechnik oder Pflanzengiften herzustellen.

 

Diese beiden Ausschüsse sind aber auch wesentliche Schaltstellen für die anstehende Aufarbeitung der Corona-Krise. Die letzten Wochen haben klar gezeigt, dass wir ein echtes Krisenmanagement auf europäischer Ebene brauchen und hat gleichzeitig viele Fehler der Vergangenheit aufgedeckt – etwa, dass die EU über keine eigene Produktion von Medizinprodukten mehr verfügt. Diese Abhängigkeit muss genauso beendet werden, wie die zahlreichen nationalen Egoismen, die in der Krise zu Tage getreten sind. Wir müssen jetzt sicherstellen, dass wir die richtigen Lehren aus der Corona-Krise ziehen und die EU auch in diesem Bereich besser aufstellen.

 

Umweltpolitik hat mit der Europapolitik gemein, dass sie "offiziell" als überparteiliches Thema gilt. Wie bewerten sie die fraktionsübergreifende Arbeit im Europaparlament diesbezüglich?

 

Wie überall in der Politik muss man auch bei den Umweltfragen zwischen Lippenbekenntnissen und echtem Engagement unterscheiden. Alle Parteien haben in den letzten Wahlkämpfen betont, wie wichtig der Umweltschutz ist, aber beim Abstimmungsverhalten sieht das jetzt plötzlich ganz anders aus. ÖVP und FPÖ haben im EU-Parlament zum Beispiel nicht mitgestimmt, als wir den Klimanotstand ausgerufen haben. Die ÖVP hat sogar mehrheitlich gegen einen verbesserten Schutz der Bienen gestimmt. Sie sehen also, auch beim Umweltschutz sind die Parteien inhaltlich weit voneinander entfernt.

 

Sie waren vor Ihrer Tätigkeit als EU-Parlamentarier im niederösterreichischen Landtag tätig. Inwiefern fließen Ihre Erfahrungen aus dieser Zeit in Ihre Arbeit im EU Parlament ein? 

 

Meine bisherige politische Arbeit hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, für die Menschen greifbar zu sein und als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Das geht natürlich leichter, wenn der Arbeitsort in St. Pölten und nicht in Brüssel und Straßburg ist. Aber ich versuche trotzdem so oft wie möglich in Niederösterreich zu sein. Mir ist die Verbundenheit zu den Menschen daheim wichtig, das geht nur, wenn man vor Ort ist und mit allen redet. Genau das ist mein Anspruch als Niederösterreich-Botschafter in Brüssel

 

4) Wie sehen Sie die mittelfristige Zukunft der Europäischen Union und wo liegen die Kernherausforderungen?

 

Auch hier hat es durch die Corona-Krise eine Zeitenwende gegeben. Die Eindämmung des Corona-Virus ist in vielen Fällen als Begründung dafür herangezogen worden, um Bürgerrechte einzuschränken, den Datenschutz aufzuweichen, oder – im Falle Ungarns – sogar dazu, um das Parlament auszuschalten. In allen diesen Bereichen muss die EU klar Stellung beziehen, für die Rechte der BürgerInnen und für demokratische Standards in allen Mitgliedsstaaten. Gemeinsam mit dem Ausbau der sozialen Säule, also gemeinsame Anstrengungen gegen Arbeitslosigkeit, gegen schlechte Arbeitsbedingungen und gegen ausbeuterische Löhne, sind das die neuen Kernaufgaben der EU, um einen weitreichenden Rechtsruck zu verhindern und unsere gemeinsamen europäischen Werte auch für die Zukunft abzusichern.
Günther Sidl und Dietmar Pichler bei der PES Europakonferenz in Wien


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